Märchen Meerjungfrau wie 19. Jahrhundert

Die Tränen der Meerjungfrau

Kapitel 1: Die Sehnsucht nach dem Unbekannten

Tief unten im stillen Blau des Ozeans lebte Neria, eine Meerjungfrau von unvergleichlicher Schönheit, deren Augen die Tiefe des Meeres und die Sehnsucht des Himmels zugleich zu tragen schienen. Ihr langes, silberblaues Haar glitt wie eine Welle durch das Wasser, während ihre zierliche Gestalt anmutig zwischen den Korallen und Algen tanzte. Sie war Teil eines Reiches, das in Ewigkeit schien: einer Welt aus flüsternden Strömen, singenden Fischen und unberührten Unterwasserwiesen, die in der Ferne wie ein grünes, wogendes Meer lagen.

Doch trotz dieser vollkommenen Harmonie, die die Meere umschloss, war Neria rastlos. Während ihre Schwestern sich an den Wellen und dem ewigen Tanz der Fische erfreuten, spürte sie ein nagendes Gefühl in ihrem Herzen, das sie nicht benennen konnte. Es war ein fernes Ziehen, eine unbestimmte Sehnsucht, die sie oft allein auf einen alten Felsen führte, der über die Wasseroberfläche ragte. Dort saß sie und blickte hinaus auf das, was jenseits des Horizonts lag: die Welt der Menschen.

„Was mag dort sein?“, fragte sie die Wellen, die sanft gegen die Klippen schlugen. „Welche Geheimnisse birgt die Welt über dem Wasser, von der ihr mir immer nur Flüstern bringt?“ Die Wellen antworteten nicht, oder vielleicht taten sie es, doch Neria verstand sie nicht. Sie spürte nur, dass sie etwas Unerreichbares anlockte, etwas, das ihrer eigenen Welt fremd war, und das sie dennoch mit aller Kraft begehrte.

In der Tiefe des Meeres konnte Neria die stillen Lieder der Wasserwesen hören, die von Freiheit und Geborgenheit sangen. Doch was war Freiheit, wenn sie stets nur dieselben Wege durch das Wasser zog? Was war Geborgenheit, wenn sie nie etwas anderes kannte als das, was vor ihren Augen lag? Die Geschichten der alten Meerhexen sprachen von einer anderen Welt, einer, in der Menschen sich auf festem Boden bewegten, in der der Wind durch die Wälder streifte und in der die Sterne die Nacht erleuchteten – Sterne, die Neria nur als blasse Lichter durch die trüben Wellen wahrnahm.

In ihren Träumen tauchten Bilder auf, die sie nie zuvor gesehen hatte. Ein Wald, in dem die Bäume hoch in den Himmel ragten, ihre Blätter im Wind raschelten und Sonnenstrahlen wie goldene Schleier zwischen den Ästen hindurchfielen. Ein Dorf, in dem Menschen auf ihren Feldern arbeiteten, während Kinder in der warmen Erde spielten. Und über allem das Geräusch des Windes, der frei durch die Welt zog und das Land und das Meer gleichermaßen umarmte.

Doch war es wirklich diese Freiheit, nach der Neria verlangte, oder war es etwas anderes, etwas Tieferes? Eine Verbundenheit, die ihr in ihrer Welt fehlte, ein Gefühl der Zugehörigkeit, das über die endlose Weite des Ozeans hinausging?

Jede Nacht, wenn der Mond über dem Meer aufging, spürte Neria, wie die Sehnsucht in ihr wuchs, bis sie kaum mehr zu ertragen war. Sie sang Lieder, die so schön waren, dass die Fische stillstanden und die Wellen innehielten, doch diese Lieder konnten ihre Einsamkeit nicht lindern. „Wohin führt mich mein Herz?“ flüsterte sie. „Warum zieht es mich fort von hier, wo doch alles, was ich kenne, mich umgibt?“

Doch in dieser Frage lag keine Antwort, nur die schmerzhafte Gewissheit, dass sie zu etwas Größerem bestimmt war, etwas, das jenseits der sanften Umarmung des Meeres lag. Als der erste Morgenstrahl die Wasseroberfläche durchbrach, entschied Neria, dass sie nicht länger nur träumen konnte. Sie würde die Welt der Menschen mit eigenen Augen sehen, egal, welchen Preis sie dafür zahlen müsste.

Und so begann für Neria eine Reise, die sie weit über die Grenzen ihrer Unterwasserwelt hinausführen würde, hin zu einer Welt, die so anders war als alles, was sie je gekannt hatte. Es war eine Reise der Sehnsucht, des Verlangens, aber auch der Ungewissheit. Und während sie dort auf ihrem Felsen saß und hinaus in die endlose Weite des Horizonts blickte, wusste sie, dass sie bald nicht mehr dieselbe sein würde.

Die Sterne am Himmel, die sie so oft nur schemenhaft gesehen hatte, schienen in dieser Nacht heller als je zuvor. „Ich werde euch finden,“ flüsterte sie, „und vielleicht auch mich selbst.“

Kapitel 2: Das stille Heim

Am nächsten Tag, als der Morgen dunstig über dem Wasser lag und der Ozean in einem trägen Rhythmus atmete, schwamm Neria vorsichtig näher an die Küste. Dort, wo das Land sanft ins Meer abfiel, konnte sie eine kleine Bucht sehen, eingerahmt von Felsen, die sich wie stumme Wächter über die Wellen erhoben. Es war ein ruhiger Ort, fernab der großen Städte, die sie aus den Erzählungen der Wellen kannte. Hier lebte eine Familie, deren Leben sich in friedlicher Einfachheit abspielte – eine Welt, die Neria fremd, aber zugleich verlockend erschien.

Ein einfaches Fischerhaus, gebaut aus groben Steinen und Holz, stand nahe am Ufer. Rauch stieg gemächlich aus dem Schornstein auf, und die ersten Sonnenstrahlen fielen auf den Kieselstrand, an dem ein alter Fischer seine Netze flickte. Neria beobachtete ihn still, versteckt zwischen den Wellen. Er trug einfache Kleidung, und seine Hände, grob und von der Arbeit gezeichnet, gingen geschickt mit dem Netz um. Jede Bewegung schien Teil eines stillen Rituals zu sein, das er schon tausendmal vollzogen hatte.

In der Tür des Hauses erschien eine Frau, die ihm mit sanftem Lächeln einen Becher reichte. Ihre Augen waren müde, aber voller Wärme, als sie den Mann ansah, und er nickte ihr dankbar zu. Hinter ihr traten zwei Kinder hervor, ein Junge und ein Mädchen, die lachend zum Ufer rannten, ihre nackten Füße in die kühlen Wellen tauchten und mit einem hölzernen Boot spielten, das sie mit kindlicher Freude auf das Wasser schoben.

Neria spürte ein eigenartiges Ziehen in ihrem Herzen, als sie diese Szene betrachtete. Es war so anders als das prachtvolle, endlose Reich des Meeres, in dem sie lebte. Hier war alles kleiner, stiller, und doch lag eine tiefe Geborgenheit in der Einfachheit dieser Welt. Der Fischer und seine Familie führten ein Leben, das von der Natur und ihren Zyklen bestimmt wurde – ein Leben fernab von Reichtum und Macht, aber auch fernab von den Sorgen und Kämpfen, die Neria in der Welt der Menschen vermutet hatte.

In dieser bescheidenen Idylle entdeckte sie etwas, das in ihrer eigenen Welt fehlte: eine Ruhe, die nicht aus der endlosen Weite des Ozeans kam, sondern aus der kleinen, abgeschlossenen Welt dieser Familie, die sich dem Außen verschlossen hatte. Es war ein Rückzug ins Private, in das einfache Glück des Zusammenlebens, das die großen Fragen und Stürme der Welt ausklammerte.

„Ist das das Glück, das ich suche?“ fragte sich Neria. „Kann es sein, dass in der Stille und Einfachheit mehr Frieden liegt als in all den Schätzen und Geheimnissen, die ich so sehr begehre?“

Doch während sie die Familie beobachtete, begann sie auch die Schatten zu sehen, die sich hinter der Fassade der Harmonie verbargen. Der Fischer war alt, seine Bewegungen langsam und mühsam. Die Netze, die er flickte, waren abgenutzt, und der Fang des Tages würde wohl kaum ausreichen, um die Familie durch den kommenden Winter zu bringen. Die Frau, die so liebevoll ihre Kinder umsorgte, trug tiefe Falten der Sorge auf ihrer Stirn, und ihr Lächeln, so warm es auch war, verbarg eine Müdigkeit, die Neria nur zu gut erkannte.

Als die Sonne höher stieg und das Spiel der Kinder verstummte, kehrten sie ins Haus zurück. Neria blieb allein an der Küste zurück, die leisen Wellen umspielten ihre Flossen, und ein seltsames Gefühl von Traurigkeit überkam sie. Diese Familie lebte in einer Welt, die so friedlich und doch so zerbrechlich war. Ihre Existenz hing an einem dünnen Faden – abhängig von den Launen des Meeres und dem, was die Natur ihnen gab. Es war ein Leben in ständiger Unsicherheit, und doch hatten sie in all dem eine Art von Glück gefunden, die Neria faszinierte.

Doch in ihrem Herzen wusste sie, dass dies nicht die Welt war, nach der sie suchte. Diese Stille, diese Zurückgezogenheit war nicht für sie bestimmt. Sie wollte mehr – mehr als diese bescheidene Zufriedenheit, mehr als diese stille Harmonie, die immer am Rande des Zusammenbruchs stand. Ihr Verlangen zog sie weiter, hin zu den prunkvollen Städten und den großen Träumen, die in der Ferne lagen.

Und doch konnte sie das Bild des Fischers und seiner Familie nicht aus ihrem Geist verbannen. Es war ein Leben voller Mühen, ja, aber auch voller Liebe. Ein Leben, das in seiner Einfachheit einen Wert trug, den sie nicht verstehen konnte. Vielleicht, dachte sie, liegt das wahre Glück nicht in dem, was man erträumt, sondern in dem, was man bereit ist, zu opfern – ein Gedanke, der sie sowohl tröstete als auch beunruhigte.

Als der Abend kam und der Fischer seine Netze zur letzten Ausfahrt des Tages auslegte, zog sich Neria zurück in die Dunkelheit des Meeres. Sie spürte, dass ihre Reise noch lange nicht zu Ende war, doch das stille Heim der Fischerfamilie würde sie für immer begleiten – als Erinnerung an eine Welt, die so nah und doch so fern von der ihren war.

Kapitel 3: Der verführerische Prinz und die Verlockung der Macht

Einige Tage später trieb Neria weiter die Küste entlang, stets suchend nach jenem unbestimmten Etwas, das ihre Sehnsucht stillen könnte. Die ruhige Welt der Fischerfamilie hatte ihre Fragen nicht beantwortet, sondern nur noch mehr aufgeworfen. War das einfache Glück, das sie dort gesehen hatte, alles, was die Menschenwelt zu bieten hatte? Oder gab es dort draußen mehr – mehr Macht, mehr Möglichkeiten, mehr von dem, was sie tief in ihrem Inneren suchte?

Als die Sonne am Horizont zu sinken begann, hörte Neria das leise, aber beharrliche Rauschen von Ruderblättern. Ein prächtiges Schiff, geschmückt mit goldenen Verzierungen und purpurnen Segeln, glitt über das Meer. Es war anders als die kleinen, groben Boote der Fischer, die sie bisher gesehen hatte. Dieses Schiff strahlte Macht und Reichtum aus, und das sanfte Schaukeln der Wellen schien vor Ehrfurcht zu erstarren.

Neugierig tauchte Neria tiefer unter die Wasseroberfläche und schwamm näher heran. An Deck stand ein junger Mann, sein schwarzes Haar vom Wind zerzaust, und seine Augen blickten entschlossen in die Ferne. Er trug eine Rüstung, die im Abendlicht glänzte, und seine Haltung verriet eine Selbstsicherheit, die Neria noch nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte. Er war umgeben von Beratern und Offizieren, die sich ehrerbietig zu ihm neigten und ihm Beifall zollten, während er in kraftvollen Worten Befehle erteilte.

„Das ist der Prinz,“ flüsterten die Wellen. „Er ist der Herrscher dieser Lande, der mächtigste Mann weit und breit.“

Neria konnte ihre Augen nicht von ihm abwenden. Der Prinz hatte eine Aura, die sie zugleich anzog und erschreckte. In seinem Gesicht lag keine Sanftheit, kein Anzeichen jener ruhigen Zufriedenheit, die sie bei der Fischerfamilie gesehen hatte. Stattdessen sprach aus ihm eine unbändige Gier – nach Macht, nach Ruhm, nach Eroberung. Seine Worte, die sie kaum verstehen konnte, handelten von Krieg und Expansion, von neuen Ländern, die er erobern wollte, um seine Herrschaft zu festigen.

Doch trotz der Kälte in seiner Stimme und der Härte in seinem Blick spürte Neria etwas Unausgesprochenes in ihm. Es war, als wäre der Prinz nicht nur von äußeren Zielen getrieben, sondern auch von einem tiefen inneren Mangel. Er suchte etwas, das er selbst nicht benennen konnte – vielleicht denselben unerklärlichen Sehnsüchten folgend wie sie selbst. Sein Streben nach Macht schien nur ein Mittel zu sein, um eine Leere zu füllen, die keine Krone und kein Krieg beseitigen konnte.

Fasziniert von diesem widersprüchlichen Mann, wagte sich Neria noch näher heran. Im Stillen fragte sie sich, ob er all die Antworten haben könnte, die sie suchte. War dies der Mensch, der das Leben führte, von dem sie geträumt hatte? In seiner Nähe zu sein, die Macht zu fühlen, die er ausstrahlte, veränderte etwas in ihr. Das einfache Leben der Fischer, das sich so friedlich und schön angefühlt hatte, verblasste im Vergleich zu der Herrlichkeit, die hier vor ihr lag.

Plötzlich blickte der Prinz über die Reling des Schiffes und seine Augen schienen direkt auf Neria zu ruhen, obwohl sie sich unter der Wasseroberfläche verbarg. Für einen Moment hielt sie den Atem an, ihr Herz klopfte schneller. Sie war sich sicher, dass er sie nicht sehen konnte, doch die Intensität seines Blicks ließ sie glauben, er spüre ihre Anwesenheit.

„Was gibt es da draußen, das mir noch verborgen ist?“ hörte sie den Prinzen leise murmeln. „Welche Geheimnisse halten die Meere für mich bereit?“

Seine Worte waren an niemanden gerichtet, doch Neria fühlte, als wären sie für sie bestimmt. Der Prinz suchte mehr als nur Länder und Reichtum – er suchte etwas Tieferes, etwas, das jenseits der Welt des Adels und der Kriege lag. Und in diesem Moment wusste sie: Sie wollte ein Teil seiner Welt sein. Nicht aus Liebe, nicht aus Zuneigung, sondern aus dem Wunsch heraus, zu verstehen, was Macht und Ehrgeiz mit einem Menschen taten. Sie wollte an seiner Seite sein, um zu sehen, wohin diese Wege ihn führten – und vielleicht auch sich selbst.

Doch als das Schiff weiterzog und Neria es schließlich aus den Augen verlor, spürte sie die Schatten, die sich hinter der Pracht verbargen. Der Prinz war mächtig, ja, aber auch von einer Einsamkeit erfüllt, die Neria nur zu gut kannte. Trotz all seiner Soldaten, seiner Berater und seiner Schätze schien er von einer inneren Kälte umgeben zu sein, die ihn von der Welt trennte, die er so sehr beherrschen wollte.

Als die Nacht hereinbrach und der Mond über dem Meer aufstieg, spürte Neria, wie die Zweifel in ihr wuchsen. War dies wirklich die Welt, nach der sie sich gesehnt hatte? Oder war sie auf dem Weg, ihre eigene Freiheit zu verlieren, während sie dem Glanz des Hofes verfiel? Die Fischerfamilie, die sie noch vor wenigen Tagen beobachtet hatte, erschien nun wie ein fernes Traumbild, während der Prinz und seine Macht allgegenwärtig in ihren Gedanken schwebten.

Und so schwamm sie in die Tiefe zurück, unsicher, wohin ihre Reise sie führen würde, doch mit dem brennenden Wunsch, in die Welt des Prinzen einzutauchen – egal, welchen Preis sie dafür zahlen musste.

Kapitel 4: Der Handel mit der Hexe

Die Entscheidung war gefallen. Neria konnte nicht länger nur aus der Ferne beobachten, sie wollte selbst Teil dieser Welt werden, wollte die Geheimnisse der Menschen mit eigenen Augen sehen und verstehen, was Macht und Ruhm wirklich bedeuteten. Doch wie sollte eine Meerjungfrau wie sie in die Welt der Menschen eintreten? Wie sollte sie, die mit der Weite des Meeres verbunden war, an den Hof des Prinzen gelangen?

Die Antwort lag tief in den dunkelsten Abgründen des Ozeans, dort, wo die Sonnenstrahlen nie hingelangten und nur Stille und Kälte herrschten. In dieser Finsternis lebte die alte Meereshexe, eine Gestalt, die von den Meerjungfrauen gemieden wurde, aber deren Macht unbestreitbar war. Es hieß, sie könne Träume wahr werden lassen, doch der Preis dafür sei stets hoch.

Neria zögerte nicht lange. Sie wusste, dass dies der einzige Weg war, den sie gehen konnte, wenn sie in die Welt der Menschen gelangen wollte. Mit schnellen, entschlossenen Schwimmzügen tauchte sie immer tiefer, bis das Wasser um sie herum dunkel und schwer wurde. Kein Licht und keine Wärme erreichten diesen Teil des Ozeans, und die Gestalten, die hier lebten, waren Schatten, die sich nur in Andeutungen zeigten.

Schließlich, inmitten von knorrigen, alten Korallen und verworrenen Algen, tauchte die Höhle der Hexe auf. Sie war groß und düster, und ein unheilvolles Flüstern schien aus den Tiefen zu kommen. Neria spürte ein Frösteln über ihren Körper laufen, doch sie trat furchtlos ein.

In der Mitte der Höhle saß die Hexe auf einem Stein aus schwarzem Fels. Ihr Körper war verdorrt und knochig, ihr Haar hing wie Seetang in wirren Strähnen herab, und ihre Augen leuchteten gelb wie zwei vergiftete Sonnen. Ein Lächeln, das nichts als Gier verriet, lag auf ihren Lippen, als sie Neria eintreten sah.

„Ah, da bist du ja,“ zischte die Hexe, als hätte sie Neria schon erwartet. „Die kleine Meerjungfrau, die in die Welt der Menschen will. So viele kamen vor dir, alle mit den gleichen törichten Träumen.“

Neria hielt ihrem durchdringenden Blick stand. „Ich bin bereit,“ sagte sie fest. „Ich möchte Teil der Menschenwelt werden.“

Die Hexe lachte leise, ein Geräusch, das wie zerbrochene Muscheln klang. „Natürlich möchtest du das,“ flüsterte sie, während sie sich von ihrem Stein erhob und um Neria herumschwamm. „Du willst ihren Ruhm, ihren Glanz. Den Prinzen, nicht wahr? Oh, du törichte Kreatur. Aber ich kann dir helfen, das weißt du.“

„Was verlangst du von mir?“ Neria spürte die Kälte der Worte, die sie aussprach. Sie wusste, dass der Preis hoch sein würde, doch sie war bereit, alles zu opfern.

Die Hexe blieb stehen und grinste. „Deine Stimme,“ sagte sie. „Du wirst die schönste menschliche Gestalt haben, anmutig wie keine andere Frau, doch du wirst stumm sein. Kein einziges Wort wird über deine Lippen kommen, keine Melodie wird aus deiner Kehle dringen. Du wirst die Welt der Menschen betreten, aber ohne das, was dich ausmacht.“

Neria erschrak. Ihre Stimme war das Kostbarste, was sie besaß – ihre Lieder konnten die Wellen beruhigen und die Winde lenken. Doch die Verlockung der Welt der Menschen war stärker. Sie dachte an den Prinzen, an seine Macht, an das Leben, das er führen musste, und entschloss sich.

„Ich akzeptiere,“ sagte sie leise.

Die Hexe nickte und lächelte triumphierend. „So sei es.“ Sie streckte ihre knochigen Hände aus, und aus ihren Fingern lösten sich dünne, schwarze Fäden, die sich um Neria wickelten. Ein scharfer Schmerz durchfuhr ihren Körper, als ihre Stimme aus ihr herausgerissen wurde und sich in den Händen der Hexe zu einem kleinen, funkelnden Licht formte.

„Hier ist sie,“ flüsterte die Hexe, „die Essenz deiner Seele.“ Sie schloss ihre Hände um das Licht, und es verschwand. Neria spürte, wie die Kraft, die sie so lange begleitet hatte, sie verließ. In ihrer Kehle war nur noch Leere, und als sie den Mund öffnete, kam kein Ton heraus.

Doch bevor sie etwas tun konnte, veränderte sich ihr Körper. Ihre Fischschwanzflosse teilte sich in zwei schlanke Beine, und ihre schimmernden Schuppen wurden zu menschlicher Haut. Die Transformation war vollendet – sie war nun eine Frau, wie die Menschen es waren, wunderschön, aber stumm.

„Geh, kleine Neria,“ flüsterte die Hexe mit einem hämischen Lächeln. „Dein neues Leben erwartet dich. Doch denk daran: Wenn du das Herz des Prinzen nicht gewinnst, bevor der letzte Sonnenstrahl des dritten Tages erlischt, wirst du zurückkehren und für immer meine Sklavin sein.“

Neria schwieg, denn sie konnte nichts anderes tun. Doch in ihren Augen lag eine Entschlossenheit, die die Hexe kurz innehalten ließ. „Ah, welch köstlicher Wagemut,“ murmelte sie, während Neria sich umdrehte und aus der Höhle schwamm. Sie konnte die Worte der Hexe nicht mehr hören, doch ihre Bedeutung hallte in ihrem Kopf wider.

Mit neuen, menschlichen Beinen trat sie aus dem Meer und auf die sandige Küste. Das Wasser wogte sanft um ihre Knöchel, und der Himmel leuchtete in den Farben des Abendrots. Vor ihr lag die Welt der Menschen – ein Land voller Hoffnungen, voller Träume, aber auch voller Gefahren.

Und Neria, die ihre Stimme geopfert hatte, trat in diese Welt, fest entschlossen, das Herz des Prinzen zu gewinnen, auch wenn es sie alles kosten sollte.

Kapitel 5: Die Welt der Menschen

Die Welt, in die Neria eintrat, war atemberaubend – nicht wegen ihrer Schönheit, sondern wegen ihrer harten Wirklichkeit. Kaum hatte sie das Land betreten, wurde sie von der Wucht des Lebens auf festem Boden erfasst. Das Wasser, das ihr stets Trost und Heimat gewesen war, lag nun hinter ihr, und die ersten Schritte auf dem sandigen Ufer waren unsicher und schmerzhaft. Ihre Beine, die einst so elegant durch das Wasser glitten, zitterten unter dem Gewicht ihres Körpers.

Doch der Himmel war weit und offen, und Neria spürte, wie die Winde über ihre Haut strichen – etwas, das sie nur erträumt hatte. Sie atmete tief ein und blickte in die Ferne. Vor ihr erstreckten sich Hügel und Wälder, Dörfer und Felder, und über allem lag der Schatten der Burg des Prinzen, die sich auf einem hohen Felsen erhob. Sie war majestätisch, aber auch bedrohlich, und erinnerte Neria daran, dass ihre Zeit begrenzt war. Sie musste das Herz des Prinzen gewinnen – oder alles verlieren.

Mit ihren stummen Lippen und ihren neuen, menschlichen Beinen begann sie ihren Weg in die Welt der Menschen. Doch schnell wurde ihr klar, dass diese Welt anders war, als sie es sich erträumt hatte. Die Fischerfamilie, die sie einst beobachtet hatte, war eine Ausnahme in einer Gesellschaft, die von Ungleichheit und Armut geprägt war. Die Felder, an denen sie vorbeiging, waren trocken und unfruchtbar, und die Bauern, die auf ihnen arbeiteten, sahen müde und abgemagert aus. Ihre Gesichter waren von der Sonne verbrannt, ihre Körper von der Arbeit gebeugt.

Neria verstand bald, dass diese Menschen nichts von dem Reichtum und der Macht besaßen, die sie sich in ihrer Fantasie vorgestellt hatte. Sie lebten in bitterer Armut, gefangen in einem Kreislauf aus harter Arbeit und Entbehrung. Ihre Kleidung war schmutzig und zerschlissen, und ihre Häuser waren nicht viel mehr als dürftige Hütten, die kaum Schutz vor Wind und Wetter boten.

Als Neria durch ein kleines Dorf ging, blieb sie stehen, um eine Gruppe von Frauen zu beobachten, die an einem Brunnen Wasser schöpften. Ihre Gesichter waren von Sorgen gezeichnet, und sie sprachen leise über die schlechten Ernten und die hohen Abgaben, die sie an den Prinzen zahlen mussten. Ihre Kinder spielten in der Nähe, doch auch sie schienen von der Armut betroffen, ihre Gesichter blass, ihre Kleidung zerlumpt.

Neria spürte ein tiefes Gefühl von Unbehagen. Diese Menschen, die unter der Last der Armut litten, lebten in der Nähe der prachtvollen Burg des Prinzen, dessen Reichtum im starken Kontrast zu ihrem Elend stand. Während die Adligen in Luxus lebten und rauschende Feste feierten, kämpften die einfachen Menschen ums Überleben. Die Kluft zwischen den Klassen war gewaltig, und Neria erkannte nun, wie ungerecht diese Welt war. Sie erinnerte sich an den Prinzen, den sie so bewundert hatte, und fragte sich, ob er überhaupt wusste, wie sehr sein Volk litt – oder ob es ihm egal war.

Doch sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie musste weiter, ihrem Ziel entgegen. Endlich erreichte sie die Stadt, die sich am Fuße der Burg erstreckte. Die Straßen waren eng und voller Menschen, die hastig ihrem Tagewerk nachgingen. Händler riefen ihre Waren aus, und Kinder rannten zwischen den Ständen hindurch. Überall roch es nach Gewürzen, Schweiß und Abfall. Der Glanz, den Neria sich erhofft hatte, war nirgends zu finden. Stattdessen herrschte auch hier ein Kampf ums tägliche Überleben.

Als Neria durch die Straßen ging, fühlte sie die Blicke der Menschen auf sich ruhen. Ihre Schönheit war unübersehbar, und obwohl sie stumm war, sprach ihre Anmut Bände. Doch während die Männer sie bewunderten und die Frauen neugierig musterten, hielt niemand an, um mit ihr zu sprechen. Sie war eine Fremde, stumm und allein in einer Welt, die keine Zeit hatte, sich um die Schwachen zu kümmern.

Schließlich gelangte sie zu den Toren der Burg. Die hohen Mauern ragten bedrohlich in den Himmel, und die Wachen, die vor dem Eingang standen, warfen ihr misstrauische Blicke zu. Doch als sie näherkam, erkannte einer der Wachen die Schönheit in ihrem Gesicht und ließ sie passieren, ohne zu fragen, wer sie war oder woher sie kam. Neria trat durch die Tore und betrat eine Welt, die so anders war als die Elendsviertel und Felder, durch die sie gekommen war.

Im Inneren der Burg herrschte ein Überfluss, der sie fast überwältigte. Diener eilten durch die prächtigen Hallen, die mit kostbaren Teppichen und Gemälden geschmückt waren. Goldene Leuchter hingen von der Decke, und der Duft von frischem Brot und gebratenem Fleisch erfüllte die Luft. Alles hier schien so weit entfernt von der Realität der einfachen Menschen, die nur wenige Kilometer entfernt lebten.

Neria wurde in die große Halle geführt, in der der Prinz auf einem Thron aus Elfenbein und Gold saß. Als sie eintrat, verstummte das Gemurmel der Hofdamen und Edelleute, die sich um ihn versammelt hatten. Alle Augen waren auf sie gerichtet, und auch der Prinz erhob sich langsam von seinem Thron, als er sie erblickte. In seinen Augen lag dasselbe unergründliche Leuchten, das sie schon auf dem Meer gesehen hatte. Doch diesmal war es nicht nur Macht, die er ausstrahlte – es war auch Neugier.

Er trat auf sie zu und sah sie aufmerksam an. „Wer bist du?“ fragte er. Doch Neria konnte nicht antworten. Ihre Lippen blieben stumm, und sie sah ihn nur mit jenen Augen an, in denen ihre gesamte Sehnsucht und Hoffnung lag.

Der Prinz schmunzelte leicht. „Eine Stumme, aber von solcher Schönheit, dass man nicht sprechen muss, um ihre Bedeutung zu erkennen.“ Er drehte sich zu seinen Beratern. „Sie wird bleiben.“

Doch während er sich wieder seinem Thron zuwandte und die Hofgesellschaft das Gespräch wieder aufnahm, spürte Neria, wie die Zeit verrann. Drei Tage. Drei kurze Tage, um das Herz des Prinzen zu gewinnen. Und doch fühlte sie die kalte Kluft, die zwischen ihnen lag, viel tiefer als die stummen Worte, die sie nicht sprechen konnte.

Kapitel 6: Die Entscheidung und die Tränen der Meerjungfrau

Die Tage vergingen schnell, viel schneller, als Neria es sich hätte vorstellen können. Im Palast des Prinzen herrschte unaufhörliche Geschäftigkeit. Feste wurden gefeiert, Intrigen gesponnen und Abmachungen getroffen, die die Zukunft des Königreichs bestimmen sollten. Doch inmitten all dessen fühlte sich Neria verloren. Obwohl sie sich inmitten des Hofes bewegte, blieb sie eine Fremde, eine stumme Beobachterin, die das Herz des Prinzen zu gewinnen versuchte, aber deren größte Gabe – ihre Stimme – ihr genommen worden war.

Der Prinz selbst, dessen Macht und Anziehungskraft Neria so in den Bann gezogen hatten, zeigte sich ihr gegenüber freundlich, aber distanziert. Er schien von ihrer Schönheit beeindruckt, ja sogar fasziniert, doch etwas an seiner Art war kalt, wie ein tiefes, unergründliches Wasser. Die stummen Gespräche, die Neria mit ihren Augen zu führen versuchte, drangen nicht zu ihm durch. Der Prinz schien von seiner eigenen Welt der Machtkämpfe, politischen Verhandlungen und seinem Ehrgeiz gefangen zu sein.

Trotzdem gab Neria nicht auf. Jede Nacht, wenn der Mond über die Burg schien und die Menschen sich zur Ruhe legten, wanderte sie allein durch die leeren Flure. Sie dachte an den Handel, den sie mit der Hexe geschlossen hatte, und die tickende Zeit, die unerbittlich voranschritt. Ihre Füße, die an das weiche Meerwasser gewöhnt waren, schmerzten von den harten Steinböden, und ihr Herz wurde schwerer mit jedem Schritt.

Am Morgen des dritten Tages fand in der großen Halle ein Fest statt. Der Prinz sollte eine wichtige Entscheidung treffen: Er würde eine Braut wählen, um sein Reich zu stärken und seine Macht zu festigen. Die edelsten Damen des Königreichs waren geladen, jede gekleidet in kostbare Gewänder und geschmückt mit Juwelen, die im Licht der Kerzen funkelten. Neria saß stumm an einem Tisch, ihr schlichtes, aber wunderschönes Kleid schien im Vergleich zu den prunkvollen Roben der anderen Frauen schlicht zu wirken. Doch sie wusste, dass ihre wahre Kraft nicht in Juwelen oder kostbaren Stoffen lag, sondern in dem, was sie im Inneren trug – die Sehnsucht, die sie angetrieben hatte, all dies zu wagen.

Als der Prinz sich erhob, um seine Wahl zu verkünden, hielt der Saal den Atem an. Neria fühlte, wie ihr Herz schneller schlug. Würde er sie sehen, über die stumme Fassade hinaus, und das erkennen, was sie wirklich war? Würde er das Verborgene in ihr finden, das sie beide verband – die Sehnsucht nach etwas Größerem, nach einer Welt jenseits von Macht und Reichtum?

Doch als der Prinz sprach, zerbrach ihre Hoffnung. Seine Worte waren klar und scharf, sie kündeten von einer strategischen Heirat, einer Verbindung mit einer mächtigen Adelsfamilie, die sein Reich stärken und seine Position sichern würde. Neria sah, wie er die Hand einer anderen Frau ergriff – eine edle Dame mit schimmernden Perlen im Haar und einem Lächeln, das ebenso kalt war wie das seine.

Neria konnte nichts tun. Ihre Stimme war fort, und mit ihr die Möglichkeit, sich ihm zu erklären, ihm zu sagen, wer sie war und was sie für ihn empfand. Sie war stumm in einer Welt, die von Worten und Machtdemonstrationen beherrscht wurde. In diesem Moment erkannte sie, dass ihre Reise in die Menschenwelt nicht das gebracht hatte, was sie erhofft hatte. Der Prinz, der so vielversprechend gewirkt hatte, war nur ein Teil eines größeren Spiels, in dem sie nie eine wirkliche Rolle hatte spielen können.

Mit schweren Schritten verließ Neria den Saal, ihre Gedanken wirr und voller Schmerz. Die Sonne begann bereits unterzugehen, und sie wusste, dass die Zeit knapp wurde. Sie rannte hinunter zum Meer, das sie mit offenen Armen zu empfangen schien. Doch der Ozean, der einst so vertraut gewesen war, fühlte sich jetzt fremd an, als wäre er ein ferner Traum, der ihr durch die Finger glitt.

Als sie den Strand erreichte und das Wasser ihre Füße umspielte, fiel sie auf die Knie und spürte die ersten Tränen, die ihre Wangen hinunterliefen. Es waren die Tränen einer Meerjungfrau, rein und klar wie das Meer selbst, und als sie ins Wasser fielen, schienen sie das Meer zu erleuchten. Doch anders als in den Geschichten, die sie als Kind gehört hatte, brachten diese Tränen keine Erlösung.

Das Wasser begann, sie zurückzufordern. Ihre Beine verwandelten sich wieder in die schimmernde Flosse, die sie einst getragen hatte, und das Meer zog sie in seine Tiefe. Neria spürte, wie die Last von ihr abfiel, als sie wieder zu dem Wesen wurde, das sie immer gewesen war – eine Meerjungfrau, geboren in der Freiheit des Meeres, doch jetzt gebrochen durch die stumme Einsamkeit der Menschenwelt.

In der Ferne, wo das Meer und der Himmel sich trafen, sah sie das Schiff des Prinzen auf seiner nächsten Reise. Er war fort, ohne zu wissen, was er verloren hatte. Und während Neria tiefer in die Fluten sank, erkannte sie die grausame Wahrheit: Der Prinz war nicht der Schlüssel zu ihrem Glück gewesen. Die Welt, die sie suchte, lag weder im Glanz des Adels noch im Reichtum der Macht. Sie lag in der Freiheit, die sie aufgegeben hatte, um einen Traum zu verfolgen, der nicht ihr eigener war.

Doch in dieser Erkenntnis lag auch ein neuer Anfang. Neria würde nicht länger versuchen, Teil einer Welt zu sein, die sie nicht verstand. Das Meer, das sie nun wieder umschloss, würde sie heilen, auch wenn ihre Tränen für immer verloren waren. Die Fischerfamilie, die sie einst bewundert hatte, lebte weiter, still und friedlich, ohne die Last der großen Träume und des endlosen Strebens nach mehr.

Und während die Sonne endgültig hinter dem Horizont verschwand, kehrte Neria in die Tiefen des Ozeans zurück. Stumm, aber frei.

Ende

Leseeindrücke

Jetzt interessiert mich natürlich dein Eindruck! Bilder und Text des Märchens wurden ja mithilfe einer künstlichen Intelligenz generiert. Was hältst du davon? Bist du abgeschreckt? Fasziniert? Ein wenig von beidem? Teile deine Eindruck doch bitte mit mir, aber lies vorher noch kurz

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